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"Italien schüttelt den
Kopf über seine Politiker" betitelte ein NZZ-Journalist
seinen Artikel vom 2. Oktober 2005. Beim Lesen bekam ich den Eindruck, dass
Skandale, Intrigen, Streitigkeiten die politische Landschaft Italiens
beherrschen. Ob alles wahr ist oder nicht, Gott weiss
es. Allgemein verbreitet unsere Presse viele kritische Stimmen über die
Politik. Zum Teil fallen harte Begriffe: Lügen, Inkompetenz, Korruption, usw... In dieser gesellschaftlichen Stimmung fällt es
uns Christen nicht einfach, die Worte Paulus umzusetzen: "Jede
Seele unterwerfe sich den übergeordneten <staatlichen> Mächten! Denn es ist keine
<staatliche> Macht ausser von Gott, und die
bestehenden sind von Gott verordnet. Wer sich daher der <staatlichen>
Macht widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes; die aber widerstehen,
werden ein Urteil empfangen." (Röm. 13,1-2) Gott verordnet die
Regierungen. Er setzt sie ein und erwartet, dass wir uns als Christen den
Obrigkeiten unterordnen. "Aber..." Sofort kommen die
Einwände: Soll ich mich korrupten Politikern unterordnen? Und wenn sie die
Christen verfolgen oder kriminelle Dinge tun?
Lasst uns ein biblisches Beispiel betrachten! Als die Gemeinde erst wenige
Wochen oder Monate alt war, liess der jüdische Hoherat (die höchste religiöse und politische Instanz
Israels unter dem römischen Statthalter) die zwölf Apostel gefangen nehmen:
"[der Hauptmann und die Diener] führten [die Apostel] aber herbei
und stellten sie vor den Hohen Rat; und der Hohepriester befragte sie und
sprach: Wir haben euch streng geboten, in diesem Namen nicht zu lehren, und
siehe, ihr habt Jerusalem mit eurer Lehre erfüllt und wollt das Blut dieses
Menschen auf uns bringen. Petrus und die Apostel aber antworteten und
sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen." (Apg. 5,27-29)
Die Haltung der Apostel gegenüber dem jüdischen Hohenrat
ist aufschlussreich: Sie stellten den (weltlichen) Regierungsauftrag des Hohenrates nicht in Frage, sondern stritten ihm nur das
Recht ab, Gebote zu erlassen, die im Widerspruch mit den Geboten Gottes
stehen. Die Apostel sprachen sich aber nicht gegen das Einhalten der Gebote
aus, die nicht im Widerspruch mit den Geboten Gottes stehen. Die Apostel
erlaubten sich keine persönlichen Verunglimpfungen gegen die Mitglieder des
Hohenrates. In einer anderen Situation hatte der
Apostel Paulus ein hartes Wort gegen den Hohenpriester gesprochen, ohne zu
wissen dass es der Hohepriester war. Als er es erfuhr, gestand er, dass er
(unwissentlich) falsch gehandelt hatte, indem er aus dem Alten Testament
zitierte: "Von dem Obersten deines Volkes sollst du nicht schlecht
reden" (2. Mose 22,27) Die
Apostel lehnten sich nicht gegen die Staatsordnung auf, ob sie von den
Juden oder den Römern gestellt wurde. Sie nahmen sich allein das Recht, die
Gebote nicht einzuhalten, die im Widerspruch mit den Geboten Gottes
standen. Die Apostel predigten nicht ein politisches Programm, sondern das
Reich Christi, ein Reich, das nicht von dieser Welt ist (Joh. 18,36).
Nicht nur sind wir als Christen herausgefordert, uns den Obrigkeiten zu
unterordnen, wir sollen auch für sie beten: "Ich ermahne nun vor allen Dingen, dass Flehen,
Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen, für Könige
und alle, die in Hoheit sind, damit wir ein ruhiges und stilles Leben
führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, welcher will, dass alle
Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen."
(1. Ti. 2,1-4)
Aus dieser Stelle erkennen wir zwei Gründe, wieso wir für alle Menschen und
insbesondere für die Obrigkeiten beten sollen. Erstens bewirken unsere
Gebete, dass wir als Christen ein ruhiges und stilles Leben führen können
in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Darauf werde ich zurückkommen.
Zweitens entspricht es Gottes Absicht, dass alle Menschen gerettet werden.
Wir dürfen die Obrigkeiten aus diesem Plan nicht ausschlies-sen,
auch wenn sie uns unterdrücken und sogar verfolgen. Die Rettung und den
Zugang zur Wahrheit sollen wir allen Menschen von Herzen wünschen und dafür
beten.
Wir haben den Obrigkeiten viel zu verdanken, dass wir ein ruhiges und
stilles Leben führen können. Dies ist mir am Beispiel des Wirbelsturmes Katrina in den USA vor Augen geführt worden. Am 29. August 2005 wütete dieser
Wirbelsturm mit Winden von bis zu 265 Stundenkilometer über die Gegend von
New Orleans und verursachte grosse Zerstörungen.
Diese Zerstörungen waren vor allem dadurch verheerend, dass Deiche brachen. Riesige
Wassermengen überfluteten grosse Teile von New
Orleans. Die Stadt wurde zwar schon vor dem 29. August evakuiert; doch wollten
oder konnten viele Menschen die Stadt nicht verlassen. Mehr als 1000 von
ihnen starben.
Die Obrigkeiten hatten die Stadt zum grössten
Teil verlassen. Die wenigen Ordnungskräfte, die sich an Ort und Stelle
befanden, waren nicht in der Lage, für Recht und Ordnung zu schauen. In New
Orleans entstand ein gesetzloser Zustand. Menschen begannen zu plündern
oder aufeinander zu schiessen. Stellt euch mal vor, wenn wir als Christen in
diesen Umständen leben müssten. Wir wären wie Freiwild, aufgrund des
Glaubens kaum fähig uns zu verteidigen und stark beeinträchtigt, uns zu
versammeln und das Evangelium zu verbreiten.
Regierungen sorgen für Ordnung. Wir sollten für dieses Geschenk Gott
dankbar sein. Auch wenn die Obrigkeiten ihre Verantwortung nicht so
wahrnehmen, wie sie sollten, sind wir beauftragt, für sie zu beten.
Christus und die Apostel lebten unter der harten Herrschaft der Römer. Ohne
Zweifel hat Jesus für Pilatus gebetet. Wieviel
leichter fällt es uns heute, für unsere Regierungen zu beten!
Olivier Cuendet
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